Das Zeichen - Freitag

Es war eines der letzten wärmeren Wochenenden eines goldenen Oktobers und so hatten Anna und Tom zusammen mit ihren Freunden Lisa, Mike und Tim beschlossen in die abgelegene Waldhütte von Annas Vater zu fahren. Sie wollten eine unbeschwerte Zeit fernab von den alltäglichen Einflüssen genießen. 

Die fünf hatten sich am Anfang des letzten Semesters an ihrer Universität kennengelernt und haben direkt einen Draht zueinander aufgebaut, obwohl sie unterschiedlichsten Studiengänge besuchten. 

Während Lisa und Tim ziemliche Technikfreaks waren, und einen Ingenieursstudiengang belegten, Mike Jura studierte, hatten Anna und Tom sich dazu entschieden in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten und Medizin zu studieren.

Als die letzten Sonnenstrahlen den malerischen Wald durchzogen und in den großzügigen Wohn- und Essbereich der Hütte fielen, trafen sich die fünf, um gemeinsam zu kochen und einen schönen Abend bei einem Glas Wein und einem guten Essen zu verbringen. 

Tom fiel in diesem Augenblick ein ganz schwach durchschimmerndes Zeichen an der Wand. Es war kaum zu erkennen, und nur in diesem speziellen Licht auszumachen, aber es war eindeutig zu erkennen. Es hatte die Form einer alten Rune, umrandet von weiteren kleineren Schriftzeichen. 

Die fünf schauten sich verunsichert, und auch ein wenig verängstigt an. Keiner war in der Lage, dem Zeichen eine Bedeutung zuzuordnen, oder zu bestimmen, ob es sich dabei um ein gutes oder böses Zeichen handelt. 

Anna warf dabei ein, dass die Hütte schon sehr alt wäre, und nachdem ihr Vater sie vor einigen Jahren gekauft hatte, komplett saniert und erweitert wurde. Vielleicht würde es sich bei dem Zeichen um ein Überbleibsel eines Vorbesitzers handeln, welches nur unter bestimmten Konstellationen überhaupt sichtbar ist. Und tatsächlich war es vorher niemandem aufgefallen. 

Lisa macht mit ihrem Smartphone ein Foto und sagte den anderen, dass sie später Nachforschungen zu dem Zeichen machen würde.

Der Plan beruhigte den Rest etwas, und so beschlossen alle, dass sich dem Essen widmen wollten.

Also fingen alle damit an, das Abendessen vorzubereiten. Wie immer in der Gruppe hatten alle ihre eingespielten Aufgaben. Lisa und Mike kümmerten sich darum, dass das Fleisch portioniert und zubereitet wurde. Annas Aufgabe war es, die Kartoffelspalten zuzubereiten. Tims Passion waren Vorspeisen und so bereitete er einen ansprechenden Antipasti Teller vor. Tom war der mit der süßesten Zunge und kümmerte sich dementsprechend immer um den Nachtisch. Diese Aufteilung hatte sich an vielen Abenden bewährt, an denen die fünf so zusammen saßen.

Als dann alle am Tisch saßen, war der Vorfall mit dem Zeichen schon fast wieder vergessen, bis Mikes Blick auf die Wand fiel, und er sagte, dass es jetzt wieder verschwunden sei. Alle schauten sich um, und stellten fest, dass Mike recht hatte. In diesem Licht sah die Wand aus, als wäre nie etwas dort gewesen. Auch als Tom näher an die Wand ran schritt, und sich die Stelle aus nächster Nähe ansah, konnte er keine Spur mehr von dem Zeichen entdecken.

Tim spekulierte, ob es vielleicht mit einer besonderen Farbe aufgetragen wurde, die nur unter bestimmten Lichtverhältnissen zu sehen war. Dagegen sprach aber, dass auf der Tapete nicht die geringste Spur zu sehen war, dass irgendetwas auf der Tapete verändert, oder aufgetragen wurde. Daher lag die Vermutung nahe, dass es unterhalb der Tapete auf dem Mauerwerk aufgetragen worden sein muss.

Mit einem unguten Gefühl der Unkenntnis, und dem Vorhaben der Sache am nächsten Tag auf den Grund zu gehen, machten sich die alle auf den Weg in ihre Zimmer. Lisa und Tim konnten es sich aber nicht nehmen lassen, und mussten einen Abstecher in den Technikraum machen. Die Frage, was es mit diesem Zeichen auf sich hatte, ließ ihnen keine Ruhe.

Die beiden machten noch einen Abstecher am Kühlschrank vorbei und nahmen eine Ration Snacks und Energy-Drinks mit und setzen sich dann an den ausladenden Schreibtisch mit den drei Bildschirmen. Lisa suchte das Bild auf ihrem Smartphone heraus und übertrug es auf den Computer, der unter dem Schreibtisch stand, und beide starten mit der Recherche nach dem Ursprung des Zeichens.

Anna und Tom lagen beide wach in ihrem Bett und unterhielten sich über das gesehene. Beiden rätselten, was es mit dem Zeichen auf sich haben könnte. Ganz im Gegensatz zum sonstigen Alltag, war Tom diesmal nicht der taffe und starke Typ, für den ihn alle hielten, sondern Anna blieb ruhig und versuchte ihrem eingeschüchterten Freund zu beruhigen, und alles auf rationale Weise zu betrachten.

Gegen 1:30 in der Früh wurden die beiden allerdings durch einen tiefen, kehligen Gesang aus ihrer Unterhaltung gerissen, der allem Anschein nach von draußen aus dem Wald zu kommen schien. Der Gesang schien in einer anderen Sprache zu sein, denn von dem, was sie dort hörten, verstanden die beiden kein Wort. Ihnen war aber auch keine Sprache bekannt, die sich so anhören würde.

Als Tom das hörte, war es für ihn noch schwieriger sich zu beruhigen, und aus seinem anfänglichen Unwohlsein entwickelte sich langsam aber stetig eine gewisse Angst vor dem, was da draußen sein könnte. Anna wurde zwar ebenfalls zunehmend unruhig, zog sich dann aber an, um zu schauen, ob die anderen diesen Gesang ebenfalls gehört hatten.

So schritt sie in ihrem nächtlichen Outfit Richtung Technikraum, wo sie wie erwartet noch Lisa und Tim antraf. Auf die Frage, ob die beiden diesen merkwürdigen Gesang auch wahrgenommen hatten, waren die beiden allerdings ziemlich verwirrt. Weder Lisa noch Tim hatten irgendetwas anderes wahrgenommen, als ihre Umgebung in diesem Raum.  

Anna war etwas verwundert, erklärte sich den Umstand aber durch die zentralere Lage des Raums und die Hintergrundgeräusche, die hier vorherrschten. Deshalb verabschiedete sie sich von den beiden und schaute auf dem Weg ins Schlafzimmer noch bei Mike vorbei. Der hatte sich aber nach dem Essen noch seinem Fitnessprogramm gewidmet und schief in Seelenruhe. Er hatte also nicht von all dem mitbekommen können.

Als sie anschließend wieder zurück ins Schlafzimmer kam, hatte sich Tom schon ein wenig beruhigt. Er wusste aber nicht, was der Umstand, dass nur die beiden den Gesang gehört hatten, mit ihm machen sollte. Hatten die beiden Halluzinationen? Während des Studiums hatte er auch einen Kurs in Psychologie belegt und dort hatte er etwas über Phänomene gehört, in denen bei einer Art Massenhysterie mehrere Personen über Vorkommnisse berichten, die nicht wirklich existent waren. 

War es bei ihnen genau so? Oder kam der Gesang vielleicht gar nicht von draußen? War vielleicht irgendwo eine Musikbox, die so etwas automatisch abgespielt hat? Fragen, auf die er zu diesem Augenblick keine Antworten parat hatte und die beiden der Meinung waren, dieses Thema auf morgen zu vertagen, da beide nach dem Tag sehr müde waren.