Das Zeichen - Samstag

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Kapitel 4 - Morgen

Mike, der eine seelenruhige Nacht hatte, saß schon früh am Morgen beim Frühstück. Es war nicht ungewöhnlich, dass er zu dieser Zeit noch alleine da saß, denn er war als einziger der Gruppe ein ausgewiesener Frühaufsteher.


An diesem Morgen war eine Sache aber anders. Das wurde Mike bewusst, als er aus dem Technikraum Geräusche wahrnahm. Er ging hin und sah, dass Lisa und Tim immer noch über ihre Recherche hingen. Auf die Frage, ob die beiden die ganze Nacht dort verbracht hatten, bekam Mike keine Reaktion. Erst als er sich quasi zwischen die beiden drängte, realisierten sie, dass sie Gesellschaft bekommen haben.


Auf dem Bildschirm waren Bilder alter Runen zu sehen, die dem Zeichen an der Wand zum Verwechseln ähnlich sahen. Mike war erstaunt, dass die beiden anscheinend herausgefunden hatten, was es mit dem Zeichen auf sich hatte. Der Blick, den Mike in den Gesichtern von Lisa und Tim wahrnahm, war allerdings alles andere als beruhigend.


Aus ihren Augen schrie nicht nur die ausladende Müdigkeit, welche die durchgemachte Nacht als Tribut abverlangte, sondern auch ein gewisser Anteil an Angst und Unsicherheit. Mike fragte die beiden, warum sie so einen verstörenden Blick aufgesetzt hatten. Lisa und Tim vertrösten ihn aber nur, und sagten, dass sie ihre Rechercheergebnisse gleich allen zusammen in der Küche präsentieren wollten.


Nun war Mike noch beunruhigter, ging dann aber schnell in den ersten Stock, um Anna und Tom zu wecken und in die Küche zu bitten.


Als die drei in der Küche ankamen, saßen Lisa und Tim bereits an dem großen Esstisch und hatten mehrere Ausdrucke von Runen und den Laptop ausgebreitet. Beide waren bereit, allen zu erläutern, was sie herausgefunden hatten.


Als sich alle gesetzt hatten, begannen die beiden direkt mit der Präsentation ihrer unheilvollen Ergebnisse. Am Anfang haben sie die Runen ähnliche Zeichnung in alten Runenalphabeten wie die der Germanen oder Wikinger gesucht. Allerdings kam keines der Zeichen dem Gesuchten auch nur im Geringsten nahe.


Als sie dabei nicht weiter kamen, haben sie sich auf die kleineren Schriftzeichen konzentriert, die um das große Zeichen herum standen. Bei diesen Zeichen handelte es sich allem Anschein nach um althebräische Schriftzeichen. Da beide keine Berührungspunkte mit solchen Schriftzeichen hatten, und nicht in der Lage waren sie zu übersetzen, ließen sie die Zeichen durch eine künstliche Intelligenz übersetzen.


Was die KI dann aber ausgab, verschlug den beiden erstmal die Sprache. So wie es aussah, handelte es sich bei der Zeichenfolge um eine Art von Beschwörungsformel eines Dämons namens Nexorath. Erst hielten sie das Ganze für einen schlechten Scherz und konnten es gar nicht richtig einordnen.

Als sie dann aber nach Nexorath suchten, war ziemlich das Erste, was sie sahen, das Runenzeichen, wonach sie gesucht hatten. 

Es schien also doch nicht ganz so abwegig, dass die beiden Elemente zusammen hingen und sich aufeinander bezogen.


Mike, Anna und Tom konnten gar nicht glauben, was sie da hörten, aber ließen die beiden erstmal ausreden, um zu wissen, womit sie es hier wirklich zu tun hatten. Nexorath soll nach der Erklärung der beiden ein Dämon gewesen sein, der den Zorn, die Wollust und die Habgier verkörpertem und über 72 Legionen dienstbarer Geister herrschte.


Aber warum sollte so ein Zeichen samt Beschwörungsformel hier in einer abgelegenen Waldhütte mitten in den Wäldern an der Wand stehen? Darauf hatten die beiden noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden. 


Allerdings forderte die Nacht ohne Schlaf bei Lisa und Tim inzwischen ihren Tribut. Beide gingen auf ihre Schlafzimmer, um sich auszuruhen, während die anderen drei versicherten ihnen aber, dass sie in der Zwischenzeit alles unternehmen würden, um die offenen Fragen zu beantworten.


Kapitel 5 - Mittag

Die drei verbliebenen Freunde saßen stumm an ihren Plätzen und versuchten immer noch das Gehörte zu verarbeiten. Alle drei machten sich ihre eigenen Gedanken und waren noch nicht in der Lage, sie zu kommunizieren.


Wer, oder was, war Nexorath, und wieso taucht sein Zeichen hier in der Hütte auf? Diese Frage ließ Anna nicht los. Wusste ihr Vater davon, oder ist es vielleicht schon viel länger an dieser Wand? Sie war offensichtlich sehr verwirrt und wusste nicht, was sie als nächsten Schritt unternehmen sollte.


Mike stand dem Ganzen sehr skeptisch gegenüber, und ging davon aus, dass es sich um eine Art Streich von Gott weiß, wem handeln würde, der vor Jahren oder Jahrzehnten Zugang zu dieser Hütte hatte. Er konnte sich einfach nicht mit dem Gedanken abfinden, dass es eine übernatürliche Kraft geben könnte, die mit rationalen Möglichkeiten nicht erklärt werden konnten.


Tom hingegen kam aus einer spirituell zugewandten Familie, und war dementsprechend sehr verunsichert. Er hatte von klein auf Berührungspunkte mit weißmagischen Ritualen und übersinnlichen Erzählungen. Seine Großmutter war so etwas, was im Volksmund Hellseherin genannt werden würde. Sein erster Instinkt war es, sich mit ihr in Verbindung zu setzen, und ihr von den Vorfällen zu erzählen.  


Die anhaltende Stille wurde auf einmal durch Mike gebrochen, indem er auf den Tisch schlug und seinem Unmut über die ganze Situation freien Lauf ließ. Er wollte von so einem ‘Unsinn’ nichts wissen und würde sich jetzt auf den Weg ins Fitnessstudio begeben, um den Kopf freizubekommen.


Anna und Tom konnten ihm seine Reaktion nicht übel nehmen, und hatten auch Verständnis für so ein Verhalten. Allein die Möglichkeit der Existenz einer übernatürlichen Macht konnte für jemanden wie Mike eine erschütternde Nachricht sein. Deswegen ließen sie Mike auch gewähren und ihn in Ruhe trainieren, bevor sie wieder auf ihn zugehen würden.


Bis dahin ging Tom nach draußen vor die Hütte, um seine Großmutter zu erreichen. Er stand auf der Veranda und hatte einen traumhaften Blick auf den idyllischen Wald, aus dem noch das Zwitschern der Vögel zu hören war, die sich bald auf ihren Weg in den Süden machen würden. Seine Großmutter war mit ihren 85 Jahren wahrlich nicht mehr die jüngste, aber ihre mentalen Fähigkeiten hatte sie bislang in keinster Weise einbüßen müssen. So war sie zwar erschrocken, als Tom ihr erzählte, auf was die fünf hier oben gestoßen waren, konnte ihm aber ausführlich darüber berichten, was sie über Nexorath wusste.


Sie konnte das, was Tim und Lisa zuvor berichtet hatten, nur bestätigen, hatte aber auch noch etwas zu ergänzen. Neben den bereits bekannten Eigenschaften soll Nexorath einer der sieben Höllenfürsten gewesen sein. Außerdem würde der Name Nexorath auch noch als ‘Bringer des Gerichts’ übersetzt werden können.


Es soll vor geraumer Zeit eine Gruppe von Fanatikern gegeben haben, die sogar glaubten, dass Nexorath mit jüngsten Gericht gleichzusetzen war und die Sünder von den rechtschaffenen Menschen trennen würde. Der Name dieser Gruppe fiel ihr in dem Augenblick nicht ein, aber sie wusste noch, dass sie in diesem Teil des Landes zu verorten war. Allerdings seien in den letzten 50 Jahren keine Berichte über diese Gruppe mehr zu ihr durchgedrungen.


Am Ende des Telefonates warnte sie Tom noch eindringlich, dass er vorsichtig sein, und die Finger von der Sache lassen solle, da sonst großes Unheil über ihn kommen könnte.

Kapitel 6 - Nachmittag


In der Zwischenzeit hatte Anna sich ebenfalls zurückgezogen, um in sich zu gehen und zu versuchen, ob sie irgendwelche Erinnerungen hat, die diese Situation erklären würden. Ihr Vater war immer ein sehr verschlossener Mann, der sie nie viel an seinem Leben hatte teilhaben lassen. An Verbindungen zu so einem Thema hätte sie sich ihrer Meinung aber erinnern müssen. Ihr Vater mag in der Vergangenheit viele Fehler begangen haben, und war auch bestimmt immer noch kein Vater aus dem Lehrbuch, aber ein Anhänger von dunklen Mächten? Nein, das konnte sie sich einfach nicht vorstellen.


Aus heiterem Himmel fingen Lichter an zu flackern, die Anna wegen der beginnenden Dämmerung eingeschaltet hatte. Als sie aus dem Fenster schaute, hatte sie einen guten Blick auf das Wohnzimmer, in dem ebenfalls schon Licht brannte. Im Gegensatz zu ihrem Zimmer brannte es dort hingegen durchgehend und ohne Flackern. Beunruhigt schnappte sie ihr Smartphone, um die anderen anzurufen und zu fragen, ob sie auch solche Probleme hatten. Aber auch ihr Telefon schon von den Störungen betroffen zu sein. Es gab keine Chance, auch nur einen der vier zu erreichen. 


Die Sache wurde ihr langsam immer unheimlicher, also beschloss sie das Zimmer zu verlassen und Richtung Wohnzimmer zu gehen. Sie war allerdings so verunsichert, dass sie so schnell wie möglich aus dem Zimmer rauswollte. 


Wie schon von ihr befürchtet, waren die Phänomene nur bei ihr aufgetreten, und die anderen saßen gemütlich zusammen und unterhielten sich. Als Anna ihnen von ihren gerade gemachten Erlebnissen erzählte, waren die Reaktionen gemischt. Während Tom ein ungutes Gefühl hatte, und Annas Befürchtungen gut verstehen konnte, waren die anderen eher skeptisch. Sie erklärten sich die Vorkommnisse durch elektromagnetische Störungen, hervorgerufen durch marode Stromleitungen und unbestimmte Baumaterialien, die in so einem alten Gebäude genutzt worden waren. Da im Wohnzimmer solche Störungen nicht auftraten und Annas Smartphone auch wieder funktionierte, glaubte sie wirklich an diese rationalen Erklärungen 


Da Tim und Lisa hatten den fehlenden Schlaf inzwischen nachgeholt hatten, fragten sie nun, ob die anderen seit heute über den Tag hinweg neue Erkenntnisse gewinnen konnten. Tom berichtete von dem Telefonat mit seiner Großmutter, und was sie über Nexorath zu sagen hatte. Verschwieg aber für den Moment die Warnung, die er zum Abschluss erhalten hatte. Er wollte die sowieso angespannte Situation nicht noch unnötig weiter belasten.


Informationen wie diese hatten Tom und Lisa nach ihrer Recherche schon erwartet. Sie waren, in ihrem Mix aus Übermüdung und Unwissenheit, sogar noch von viel schlimmeren ausgegangen. Trotzdem nahmen sie die Aussagen von Toms Großmutter sehr ernst und versuchten alles korrekt einzuordnen. 


Mike wollte sich immer noch nicht damit abfinden, und versuchte weiterhin krampfhaft eine rationale Lösung zu finden, als plötzlich auch in diesem Raum das Licht anfing auszusetzen. Auch die Soundboxen, die im Raum angebracht waren, fingen urplötzlich und aus nicht erkennbaren Gründen an zu rauschen und undefinierbare Geräusche von sich zu geben.


Bei genauerem Hinhören dachten Mike und Tim, dass sie aus dem Rauschen eine verzerrte Stimme wahrnehmen würden. Geistesgegenwärtig ließen Lisa und Tim beide ihre, auf dem Smartphone integrierten, Diktiergeräte mitlaufen, um später evtl. etwas davon verstehen zu können.


Das ganze Spektakel dauerte inzwischen schon mehr als fünf Minuten, unerträglich lange fünf Minuten, als vollkommen abrupt wieder Stille einkehrte. Nach diesen fünf Minuten war auch Mike an dem Punkt, dass er merkte, dass er sich die Situation nicht mehr erklären konnte. Man sah die Verwirrung, und die Angst in seinen Augen. Noch bevor er irgendetwas sagen konnte, schrie Anna lauthals los. 


Alle schauten Anna erschrocken und mit großen Augen an, als sie sahen, dass Anna ihnen ihren Unterarm zeigte, auf dem sich wie mit tiefen, blutigen Schnitten das Zeichen von Nexorath manifestiert hatte. Alle stürmten in Annas Richtung, um ihr Erste Hilfe zu leisten. Sie verbanden als ersten die blutenden Wunden, und versuchten Anna zu beruhigen.


Nachdem sich das erste Chaos gelegt hatte, setzten sich alle zusammen und fragten sich, wie sowas passieren konnte. Wie konnten sich einfach so Schnittwunden auf einem Unterarm bilden, ohne, dass auch nur ein Messer, oder ein ähnlicher scharfer Gegenstand in der Nähe war? Konnte es wirklich sein, dass die Wunden auf eine übernatürliche Art entstanden waren? Und wenn es so gewesen wäre, warum dann ausgerechnet bei Anna? Die Geschichte nahm langsam Ausmaße an, die keinen der fünf mehr kaltlassen würde. 



Kapitel 7 - Abend Teil 1

Im Laufe der Ereignisse war die Sonne bereits untergegangen, und um die Hütte herum hatte sich eine tiefschwarze Dunkelheit breit gemacht. Was keinem auffiel war die Tatsache, dass an diesem Abend, entgegen der vergangenen Nächte, weder der Mond noch irgendein Stern zu sehen war. Neben der absoluten Dunkelheit war eine schreiende Stille eingekehrt. Kein Vogel war zu hören, kein Wind, der die Blätter bewegt, kein noch so kleines, für einen Wald typisches Geräusch.


In der Hütte hatte sich die erste Hysterie wieder gelegt und Annas Wunde wurde für das Erste gut versorgt. Sie hatte aber Glück im Unglück und die Wunde musste nicht genäht, oder weiter ärztlich versorgt werden. 


Die fünf saßen in der Runde und berieten darüber, wie sie jetzt verfahren sollten. Mike war inzwischen von jeder Skepsis abgekommen und wollte, genau wie Lisa, am liebsten direkt die Sachen packen und wieder fahren. Die anderen drei gaben aber zu bedenken, dass die eh schon recht lange Rückfahrt durch den nicht beleuchteten Wald noch mehr Zeit in Anspruch nehmen würde. Sie schlugen vor, dass sie ihre Sachen wohl schon packen, aber mit der Abfahrt noch bis zum nächsten Morgen warten sollten. Mike und Lisa ließen sich nach einiger Diskussion auf diesen Vorschlag ein, machten aber zur Bedingung, dass sie alle zusammen im Wohnzimmer schlafen, sodass keiner alleine auf seinem Zimmer sein musste.


Also machten sich alle daran, ihre Sachen in die Taschen zu packen, um sie in dem Wagen zu verstauen. Als sie dann raus zum Wagen kamen, fiel ihnen direkt die unnormale Stille auf, die sie sich weder erklären konnten, noch wussten, wie sie damit umgehen sollten. Keinem der fünf war ein Phänomen bekannt, welches solch einen Verlust jeglicher Geräusche erklären würde. Da diese Umgebung allen weiteres Unbehagen bereitete, sahen sie zu, ihre Taschen schnellstmöglich in den Wagen zu bekommen und wieder ins Haus zu gehen.


Wieder im Haus angekommen, holten alle ihre Matratzen und brachten sie ins Wohnzimmer, um dort ihr Nachtlager aufzuschlagen. Im Kreise der anderen fühlten sich alle merklich sicherer und wohler. Lisa und Tim hatten ihre Laptops mitgebracht, um vielleicht noch weitere Informationen über die Situation zusammenzutragen. Lisa wollte sich zusammen mit Mike und Anna weiter über die Vergangenheit der Hütte informieren, und die anderen beiden mehr über Nexorath herausfinden. 


In ihren Gruppen machen sie sich erst einmal grobe Pläne, wie sie vorgehen wollten. Anna konnte einige Eckdaten nennen, die mit der Hütte zu tun hatten. Sie wusste zum Beispiel noch, dass ihr Vater die Hütte vor 8 Jahren gekauft hatte und der Vorbesitzer ein reicher Anwalt namens Sheamus McAllister war. Also fingen sie an diesem Punkt an zu recherchieren. Nach kurzer Suche kam heraus, dass Sheamus McAllister anscheinend vor drei Jahren auf mysteriöse Weise verschwunden war. In dem Artikel, den sie zu dem Vorfall gefunden hatten, schilderten die Frau und ein Freund von Herrn McAllister, dass er während einer Wanderung von einem auf den nächsten Augenblick verschwunden war.


Bei dem Namen des Mannes aus dem Artikel wurde Anna das erste Mal stutzig. Sie kannte diesen Mann. Er gehörte zu einer Gruppe, in der auch Ihr Vater Mitglied war, und die sich regelmäßig für verschiedene Aktivitäten traf. Worum es allerdings bei diesen Treffen ging, konnte sie nicht sagen. Sie wusste nur, dass es mehrere Männer und Frauen waren, die ein mal im Quartal an wechselnden Orten zusammen kamen. Woran sie sich allerdings noch erinnern konnte, war, dass alle bei diesen Treffen einheitliche Kleidung trugen, die alle das gleiche Wappen trugen. 


Damals war sie davon ausgegangen, dass es sich um eine Art Sportgemeinschaft handelte, da ihr Vater in verschiedensten Sportarten aktiv war. Deswegen machte sie sich da auch keine Gendanken.


Anna beschrieb Lisa das Wappen aus ihrer Erinnerung und Lisa versuchte eine möglichst akkurate Skizze des Beschriebenen anzufertigen. Als sie fertig waren, ragte auf dem Blatt Papier eine Skizze von zwei parallel verlaufenden Kreuzen, wobei das eine aufrecht stand und das andere umgedreht war. Die beiden Kreuze wurden von einer Art Schlange umschlossen, die sich selbst in den Schwanz biss. Auf jedem Kreuz saß zudem noch ein Vogel. Auf dem aufrechten Kreuz ein schwarzer, vermutlich eine Krähe, und auf dem umgedrehten ein weißer.


Ohne viel Mühe in die Interpretation zu stecken, gingen alle drei davon aus, dass es sich, ähnlich dem Yin-Yang, um eine Darstellung von Gleichgewicht, und Gut und Böse handeln müsse. Zuordnen konnte das Wappen aber keiner der drein. Sie zeigten es auch den anderen, aber viel mehr konnten sie auch nicht beisteuern. Lisa fotografierte die Skizze mit ihrem Smartphone ab und lies es durch eine Bildersuche laufen. 


Die Suchmaschine lieferte eine ganze Liste an ähnlichen Resultaten. Alle beinhalteten gewisse Fragmente des Wappens, aber keins passe genau zu dem, was sie suchten. Sie gingen Seite für Seite mit Ergebnissen durch, ohne einen Treffer zu landen. Auf einmal sah Mike aber ein Bild, dass fast eins zu eins aussah wie die Skizze. Lisa klickte auf das Bild und sie wurden auf eine Webseite geleitet, die sich mit okkulten, religiösen und sonstigen Gruppen befasste. Dort wurden, genau wie die offensichtlichen Gruppierungen, auch solche behandelt, die in der Öffentlichkeit weniger bis gar nicht bekannt waren.


Auf der Seite erfuhren die drei, dass die Gruppe, der das Wappen zugeschrieben wurde, sich “Filii Iustitiae” nannte, was wohl grob zu “Kinder der Gerechtigkeit” aus dem lateinischen übersetzt werden konnte. Viel mehr Informationen waren auf der Seite nicht zu finden. Einem kurzen Einleitungstext war zu entnehmen, dass die Gruppe wohl aus Weltuntergangs gläubigen bestand, die davon ausgingen, dass eine höhere Macht in diese Welt kommen würde, und die Sünder von den treu Ergebenden trennen würde.


Anna konnte nicht glauben, dass ihr Vater auch nur das geringste mit dieser Gruppierung zu tun hatte. Er war, zumindest in den Augen aller anderen, ein bekennender Atheist, der an nichts glaubte, was nicht mit weltlichen Aspekten erklärt werden konnte. Es ging sogar so weit, dass er seinen Kindern diese Denkweise mit auf den Weg gegeben hatte, und jeden aufkeimenden Gedanken an eine höhere Instanz direkt mit rationalen Argumenten zunichtegemacht hatte. Und dieser Mann sollte so einer Gruppe angehören? Wie hatte er so etwas vor ihr geheim halten können?


Bei einer genaueren Suche nach der, man könnte es so nennen, Sekte kamen nicht allzu viele neue Informationen hinzu. Es musste sich entweder um eine relativ kleine Organisation handeln, oder um eine, die es verstand nicht zu sehr in den öffentlichen Fokus zu rücken. Die einzige Information, die ihnen wirklich weiter half, war ein uralter Zeitungsartikel aus dem späten 19ten Jahrhundert, in dem beschrieben wurde, dass eine kleine religiöse Gemeinschaft, mit dem Namen der Sekte, ein großes Stück des Landes in dieser Gegend gekauft hatte, auf der auch diese Hütte stand. Aus dem Artikel war ebenfalls zu entnehmen, dass die Gruppe Pläne hatte, auf diesem Gebiet eine neue Herberge zu errichten, in der sie ihre Treffen abhalten konnten. Bei dieser Herberge muss es sich um diese Hütte gehandelt haben, allerdings musste sie in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder umgebaut und erweitert worden sein. Dass die Hütte schon so alt sein sollte, war so auf jeden Fall nicht zu erahnen. 



Kapitel 8 - Abend Teil 2

Tim und Tom waren in der Zwischenzeit auf der Suche nach neuen Informationen zu Nexorath, um besser einordnen zu können, mit wem, oder was sie es hier zu tun hatten.


Leider waren auch bei dieser Suche nicht allzu viele Treffer, mit denen die beiden etwas anfangen konnten. Es gab lediglich kleinere Foreneinträge, in denen sich über die Bedeutung von Nexorath unterhalten wurde, und dass er in verschiedenen altertümlichen Religionen Erwähnung fand. Dabei war interessant, dass manche Religionen, wie das Christentum, ihn als Dämon bezeichneten, der mit dem jüngsten Gericht einhergehen würde. Andere wiederum verehrten ihn als eine Art Erlöser, der alles Schlechte von der Erde tilgen würde, und den rechtschaffenen Menschen die Erde als das Paradies überlassen würde. 


Alle Erzählungen hatten aber wohl gemeinsam, dass Nexorath denjenigen, die nicht in seiner Gunst standen, mit unvorstellbaren Qualen belegen würde. Nachdem Tom das gelesen hatte, entschied er sich dazu, wenigstens Tim schon einmal von der Warnung seiner Großmutter zu berichten. Er erzählte ihm also von dem Telefonat, und auch, dass er überhaupt nicht wusste, wie er das Gespräch einordnen solle. Tim konnte sehr gut nachvollziehen, warum er nach den letzten Geschehnissen an diesem Tag nicht schon eher von dem Telefonat erzählt hatte. Er kannte Toms Großmutter zwar nicht persönlich, hatte aber gehört, in welche Richtung ihre Begabung ging. Er nahm die Warnung nicht auf die leichte Schulter und die beiden beschlossen noch wachsamer durch die Nacht zu gehen.


Als wäre ihr Versprechen ein Kommando gewesen, konnten sie förmlich zusehen, wie das Zeichen an der Wand wieder aufschimmerte und die Farbe ganz langsam wieder die volle Deckkraft erreichte. Erschrocken schauten die beiden sich an und hörten aus der anderen Gruppe, wie Anna aufschrie. Sie dachten, dass der Schrei aus dem Schreck über das erneute Auftauchen des Zeichens war, aber als sie näher an Anna herantraten, sahen sie, dass Annas Wunden sich von alleine wieder geöffnet hatten, und noch wesentlich stärker bluteten, als bei dem letzten Ereignis.  


Fast zeitgleich fingen draußen um die Hütte wieder diese merkwürdigen Gesänge an, der dieses Mal nicht nur Anna und Tom das Blut in den Adern gefrieren ließ. Während sich Tom und Lisa um Annas Verletzungen kümmerten, liefen Mike und Tim zu den Fenstern, um zu sehen, wer da draußen diesen Gesang von sich gab. Die beiden konnten von ihren Standpunkten noch nichts ausmachen, also entschlossen sie sich gemeinsam an die Tür zu gehen, um dort nachzuschauen. 


Als sie die Tür öffneten, fiel ihnen direkt auf, dass, bis auf den Gesang, immer noch kein einziges Geräusch zu vernehmen war. Diese Tatsache geriet allerdings schnell in den Hintergrund, da sie aus dieser Position an der ersten Baumreihe eine etwa 1,90 m große Gestalt sahen, die anscheinend in einen Kaputzenumhang gehüllt war. Mehr konnten sie aufgrund der Lichtverhältnisse nicht erkennen. Da der Gesang von mehr als dieser einen Person kommen musste, war ihnen sofort klar, dass an anderer Stelle, um die Hütte herum noch weitere Gestalten stehen musste. Sie schmissen die Tür wieder zu, schlossen sie ab und rannten in die Küche, um sich mit einem Messer zu bewaffnen. Anschließend liefen sie so schnell sie konnten wieder zu den anderen. In der Gruppe hatten sie definitiv bessere Chancen, als getrennt in der Hütte verteilt.


Der Gesang vor der Hütte wurde immer lauter, Anna schrie vor Schmerzen, denn ihre Wunden waren dieses Mal sehr tief, sodass sie eigentlich schnell in ein Krankenhaus gebracht werden musste, und das Zeichen an der Wand machte inzwischen den Anschein, als dass es pulsieren würde. Die fünf wussten gar nicht, worauf sie sich als Erstes konzentrieren sollten, als plötzlich alles verstummte, und rings um sie herum die Zeit stehen geblieben zu sein schien. Sie guckten sich ungläubig an und konnten nicht verstehen, was gerade geschah. Zum Leidwesen der Gruppe blieb aber auch keine Zeit herauszufinden, was los war, denn keine 30 Sekunden, nachdem alles verstummt war, ertönte ein ohrenbetäubender Donner, der alle Fenster um sie herum zum Zerbersten brachte. Zudem fegte ein Wind durch die Hütte, den keiner von ihnen je gespürt hatte. Was war hier nur los? Wie konnten sie dieser abnormalen Situation noch entkommen? Fragen, auf die sie in diesem Augenblick keine Antworten mehr finden konnten, da alle gleichzeitig, wie von einem Schlag getroffen in sich zusammen sackten und in Ohnmacht fielen.